Die Geschichte der evangelischen Kirchengemeinde
Die Anfänge
Seit 1892 werden in Neuötting evangelische Gottesdienste gefeiert, in den Anfängen allerdings noch behelfsmäßig im großen Saal des Rathauses. Auch ein Klassenzimmer der früheren Knabenschule in der Ludwigstraße 73 wurde zur Verfügung gestellt. Beide Lokalitäten konnten ein eigenes Gotteshaus jedoch keinesfalls ersetzen. So schrieb der Evangelische Verein in einem Brief um das Jahr 1929 an den Landessynodalausschuss von letzterem als „kleinem, dunklen, unfreundlichen ausgedienten Schulsaal“.
Eine selbstständige Gemeinde hatte in den Anfängen noch nicht existiert. Der nächste Pfarrer wohnte in Traunstein, seelsorgerlich betreut wurde die Gemeinde vom nahen Burghausen aus, wo ein „exponiertes Vikariat“ bestand. Die evangelischen Christen sammelten sich im Evangelischen Verein Neu/Altötting, der 1893 gegründet wurde. Die Zahl der Gemeindemitglieder erhöhte sich Anfang des 20. Jahrhunderts stetig durch den Zuzug von Arbeitskräften in die neuen Fabriken in Töging a. Inn und Garching/Hart a.d. Alz.
Zeitgenössische Quellen berichten von Spenden über 70.000 Mark, die von evangelischen Christen Bayerns erbracht die Finanzierung eines eigenen Kirchengebäudes ermöglichten. Allein die Gemeindemitglieder Neuöttings waren mit 12.768,60 Mark daran beteiligt. Mit Regierungsbaurat Otto Hertwig aus Rosenheim und Prof. Dr. Theodor Fischer aus München konnten überregional tätige Architekten für das gesteckte Ziel gewonnen werden. Der ehemalige alte Theatersaal des katholischen Gesellenvereins war der Grundstock.
Einst war das Gelände der Holzplatz der ehemaligen Kaserne gewesen, die aus der Wittelsbach'schen Burg (Standplatz heute Schulgebäude) entstanden war. Die Kaserne war im Stadtbrand des Jahres 1797 untergegangen.
Einladung zur Einweihung
Zum Peter- und Paulstag 1931 ergingen die Einladungen an die Gäste:
„Liebenswerte Glaubensgenossen! Freudigen Herzens teilen wir Ihnen mit, daß am Montag, dem 29. Juni dieses Jahres vormittags 9 Uhr die Einweihung unserer Kirche stattfindet, wozu wir Sie herzlichst einladen. Bitte kommen Sie mit Ihren lieben Angehörigen und Freunden und seien Sie unser Gast.“
Die Herren Stadträte erhielten eigene Einladungen:
„Die ergebens unterfertigte Vorstandschaft des evangelischen Vereins Neu-Altötting und Umgebung gestattet sich namens und im Auftrage des genannten Vereins den verehrlichen Stadtrat zu der feierlichen Einweihung der evangelischen Christuskirche in Neuötting am Montag, 29. Juni (Peter- und Paulstag) geziemendst einzuladen.“
Aus Anlass der Feierlichkeiten wurde die Bevölkerung Neuöttings gebeten, Fahnen aus den Fenstern zu hängen.
Es wurde jedoch damit gerechnet, dass in der neuen Kirche nicht alle Festgäste unterkommen konnten, weshalb am Herzog-Georg-Platz ein Festzelt aufgebaut wurde, und um allen Anwesenden die Teilnahme am Gottesdienst zu ermöglichen, sogar eine Lautsprecheranlage zur Übertragung zur Verfügung gestellt wurde.
Am Vortag des Festes fand im Glöcklhofersaal in Burghausen ein Begrüßungsabend statt, an dem auch Oberkirchenrat Dr. Baum teilnahm.
Am eigentlichen Einweihungstag führte ein großer Kirchenzug mit Musikkapellenbegleitung und den Kirchenchören von Burghausen, Garching, Mühldorf und Pfarrkirchen zur neu erbauten Kirche.
Im Verlaufe des Festgottesdienstes erhielt die Christuskirche drei Bibeln als Geschenk. Die erste stiftete Pfarrer Weber, der als erster in Neuötting evangelischen Gottesdienst gehalten hatte, die zweite Oberkirchenrat Dr. Baum zur Erinnerung an die vollzogene Weihe und die dritte Reichspräsident von Hindenburg mit eigenhändiger Widmung:
„Der Evangelischen Gemeinde in Neu-Altötting zur Einweihung ihrer neuerbauten Christuskirche mit dem Wunsche gewidmet, daß christliche Gesinnung, brüderliche Eintracht und vaterländisches Empfinden die Gemeinde stets beseelen und leiten mögen.“
Zur Gemeinde gehörten damals etwas mehr als 200 evangelische Christen.
Eine eigene Gemeinde wird gegründet
Es war nun auch der Zeitpunkt gekommen, an die Errichtung einer eigenständigen Kirchengemeinde zu denken.
1935 wurde schließlich das „exponierte Vikariat Neuötting / Pfarrei Burghausen / Dekanat Rosenheim“ gegründet.
Der erste allein für den Gemeindebereich Alt- und Neuötting zuständige Geistliche war Vikar Siegfried Büttner. Zur Gemeinde gehörten nun auch die Orte Garching a.d. Alz und Simbach a. Inn, so dass sie 800 Mitglieder zählte.
1939 wurde Vikar Friedrich Seitz Seelsorger, der jedoch nach einjähriger Amtszeit zum Wehrdienst einberufen wurde und erst 1945 mit einer Kriegsverletzung in seine Gemeinde zurückkehren konnte. Diese war zwischenzeitlich von Burghausen und Mühldorf a. Inn mit betreut worden.
Am 12. August 1948 wurde Neuötting eigenständige Kirchengemeinde und dem neuen Dekanat Traunstein zugeordnet, wobei Simbach a. Inn ausgegliedert wurde. Erster Pfarrer wurde Friedrich Seitz, der mittlerweile 3.127 Gemeindemitglieder versorgte, zu denen noch viele Flüchtlinge und Vertriebene hinzu kamen. An 14 Predigtstationen wurde nun Gottesdienst gefeiert: In der Christuskirche Neuötting, in der Michaelikirche Altötting, in der Marktkirche Tüßling, in den Pfarrkirchen von Hart a.d. Alz, Marktl und Winhöring, in der Antoniuskapelle in Reischach, in der Schlosskapelle in Klebing (Gemeinde Pleiskirchen) und in der Schulaula der Gemeinde Garching a.d. Alz.
Zur Entlastung des Pfarrers wurde 1950 ein Pfarrvikariat errichtet, das mit Friedrich Sinn im Jahr 1952 erstmals besetzt wurde.
Im selben Jahr beschloss der Kirchenvorstand den Bau eines Gemeindehauses mit Pfarrwohnung. Die Kosten dafür waren mit 60.000 DM veranschlagt. Zuschüsse verschiedener Stellen ermöglichten den Bau des Gebäudes Herzog-Georg-Platz 1, das 1954 eingeweiht werden konnte.
Die Christuskirche
Bezugnehmend auf ihre Entstehungszeit stellt die Christuskirche einen klar gegliederten Baukörper dar, das Türmchen trägt seit dem Umbau ein Pyramidendach. Der Innenraum ist als heimeliger Ort gehalten, drei Rundbogenfenster zur Stadt und rechteckige, jeweils gegliederte Fenster zum Inntal erhellen ihn. Aus Holz ist die Empore gefertigt, wie auch die Galerie, die zu ihr führt. Die Galerie lastet auf der mächtigen ehemaligen Stadtmauer, die in den Kirchenraum mit einbezogen wurde und dadurch die Verbindung zur Stadtgeschichte herstellt. Die baulichen Veränderungen des Jahres 1970 betrafen den Innenraum, die Kanzel, die Fenster und den Altar. Zusätzlich wurde über dem Eingang ein mit Dornen gekröntes Christushaupt angebracht.
Zur Ausstattung
Die Ausstattungsgegenstände sind, ihrer Entstehungszeit gemäß, neuzeitlich gehalten.
Seit 1986 ist im Altarraum Hubert Distlers Werk „Verkündigung“ aufgestellt. Hubert Distler, geb. 1919, war erster Kunstpreisträger der Evang.-Luth. Landeskirche in Bayern.
„Verkündigung“ ist eine Altarwandtafel in Holzschnitttechnik, nachträglich farblich behandelt. Es ist ein modernes Osterbild. Die beiden Engel verkünden: „Jesus Christus ist vom Tod auferstanden“. Die Farben machen deutlich: „Diese Auferstehung hat für die ganze Welt Bedeutung“. Das großflächige Weiß ist Ausdruck für Gottes Einbruch in diese Welt. Der Tod hat nicht mehr das letzte Wort. Dem Leben mit Gott gehört die Zukunft. Das holzfarbene Braun ist die Farbe des irdischen vergänglichen Lebens. Das farbliche Dunkelrot ist Ausdruck für vergossenes Blut und Leiden. Mitten in dieser Welt bietet Gott in Jesus Christus sein Heil an.
Die neue Kirchengemeinde
Durch den Bau einer eigenen evangelischen Kirche in Altötting ("Zum guten Hirten"), die 1996 fertiggestellt wurde, wurde das Pfarramt nach Altötting verlegt. Dadurch änderte sich auch der Name der Kirchengemeinde. Sie heißt nun "Evangelisch-Lutherische Kirchengemeinde Altötting".
Renovierung 2014
Im Jahr 2014 wurde die Christuskirche aufwändig renoviert. Das Dach wurde komplett erneuert, der Putz ausgebessert und die Fassade komplett neu gestrichen.